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Hortus Erfurtensis (BG Erfurt)



gegründet 1755 in Erfurt
aufgelöst 01. April 1859 in Erfurt


belegte Namensformen der Institution: ‹Bot. Gart. Erfurt›, ‹H. Erf.›, ‹hort. Erf.›, ‹Hortus Fridericianus›

Zunächst botanischer Garten der Academie nützlicher Wissenschaften, ab 1768 der Universität, ab 1839 Königlicher Garten und von 1850–1859 botanischer Garten der Stadt Erfurt.

Geschichtlicher Abriss
Die Universität Erfurt wurde 1379 auf Antrag der Erfurter Bürgerschaft gegründet. Nach den Statuten der medizinischen Fakultät von 1634 war eine der Aufgaben des Dekans, sich um den ‹hortus botanicus› zu kümmern, doch dieser bestand lange Zeit nur auf dem Papier, ebenso wie das in den gleichen Statuten genannte anatomische Theater und das chemische Labor.

Mitte des 18. Jh. begannen sich an den Universitäten die Naturwissenschaften von der Medizin und der Philosophie zu emanzipieren. In diesem Aufschwung gründeten im Jahr 1754 jüngere, in Erfurt lebende Gelehrte die Academie nützlicher Wissenschaften (heute Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt), um dem Mangel an wissenschaftlicher Infrastruktur abzuhelfen. Sie baten 1755 den Kurfürsten, den Mainzer Erzbischof Johann Friedrich von Ostein, um ein 40 Quadratruten (ca. 560 m²) großes Stück Land im Zwinger am inneren Krämpfertor, der dieser Bitte entsprach. Dort wurde sogleich ein Garten mitsamt 20 Fuß langem Gewächshaus eröffnet. Der erste am neuen botanischen Garten angestellte Botaniker war Christoph Schröder, der die erste wissenschaftlich fundierte Gesamtaufstellung aller Pflanzen verfasste (nur handschriftlich überliefert), die in und um Erfurt wuchsen. Im Frühjahr 1756 zog der Garten samt Gewächshaus in den Augustzwinger am inneren Löbertor um, wo er über 100 Jahre bestand. Da der Garten durch das Wohlwollen des Kurfürsten eingerichtet werden konnte, gab ihm die Akademie den Namen Hortus Fridericianus. Er wurde damals im Westen von der Löberstraße, im Osten von der Königshagengasse (heute nicht mehr existent, bis nach 1950 etwa in der Mitte zwischen der Schafgasse und der Lachsgasse gelegen), im Norden von der Augustmauer und im Süden von der Wilden Gera (heute im Bereich des Juri-Gagarin-Rings) begrenzt (Abb. 2).

Als 1768 die Universität Erfurt reorganisiert wurde, wechselte der Botanische Garten von der Akademie in die Verwaltung der medizinischen Fakultät. Da die Universität nach der Reorganisation ihre Studentenschaft von 68 nur auf lediglich 250 Studenten erhöhen konnte, dämmerte auch der botanische Garten vor sich hin. Dies änderte sich erst mit der Berufung des 26jährigen Johann Jacob Bernhardi im Jahr 1799. Er begann mit der Erforschung orientalischer Pflanzen und zahlreicher Nutzpflanzen, baute die Gewächshausfläche aus und trat in regen Tauschverkehr mit anderen Botanischen Gärten [cf. Link 1833: 287: «habemus ex Horto Erfurtensi cl. Bernhardii.»], was dem Erfurter Garten auch internationales Renommée verschaffte [cf. Capelli 1821: 6 & 7, Anm. 2: «Achillea biserrata [...] ex hort. Erf.»]. Gleich nach seiner Berufung veröffentlichte Bernhardi einen Pflanzenkatalog des Hortus Erfurtensis, gefolgt von sechs Supplementen, [Bernhardi 1799 & subseq.] und gab spätestens ab 1833 Indices Seminum heraus [cf. Bernhardi 1836], aus denen zahlreiche botanische Gärten Akzessionen bezogen [cf. z.B. Weber 1822: 61: «Medicago strumaria H. Erf.»]. In den Indices Seminum publizierte er auch neue Arten, wie z.B. Solanum allogonum Bernh. aus Mexiko oder Acaena berteroana Bernh. aus Chile. Bernhardi unternahm selbst botanische Reisen, z.B. in die österreichischen Alpen, und vermachte seine Lebendaufsammlungen dem Erfurter Garten.
1803 beschloss die preußische Regierung die Schließung der Erfurter Unviversität, an der 1804 nur noch 64 Studenten immatrikuliert waren. Unter Napoleon gab es ab 1808 noch einmal ein kleines Aufblühen. Auch den botanischen Garten förderte Napoleon, indem er ihm per Dekret vom 18. X. 1809 für 500 Reichstaler ein Grundstück überließ, das den bisherigen Botanischen Garten bis zur Auguststraße (heute Bahnhofstraße) verlängerte (Abb. 2). Da die Universität mittellos war, stiftete Bernhardi diese Summe aus seinem Privatvermögen nebst 2.000 Reichstalern für die erste Einrichtung des Gartens. Durch diesen selbstlosen Einsatz verhinderte er, dass der botanische Garten mit Auflösung der Universität im Jahr 1816 ebenfalls aufgelöst wurde. Per 30. III. 1839 wurde durch Vertrag mit Bernhardi aus dem ehemaligen universitären botanischen Garten ein «Königlicher Garten», in welchem Bernhardi zugesichert wurde, seine Befugnisse bis zu seinem Tod weiterführen zu dürfen; er starb am 13. V. 1850.

Nach dem Tod Bernhardis ergab sich die Frage nach der Zukunft des botanischen Gartens. Mehrere Gutachten vertraten die Ansicht, dass der Garten zu Lehrzwecken in der Stadt Erfurt erhalten bleiben sollte. Ferner hatte Bernhardis Neffe Theodor Bernhardi, der schon vor dessen Tod Gärtner des botanischen Gartens gewesen war, bereits seit 1835 im botanischen Garten eine erfolgreiche Samenhandlung etabliert [Neumann 1837]. Er äußerte sein Interesse daran, den Garten zu pachten. 1851 übernahm aber die Kunst- und Handelsgärtnerei Alfred Topf interimistisch die Verwaltung des botanischen Gartens, um am 29. VI. 1852 per Vertrag zwischen der Stadt Erfurt und dem Firmeninhaber Johann Gottfried Topf die Errichtung einer Gärtner-Lehranstalt im nunmehr städtischen botanischen Garten zu vereinbaren. Dazu wurden der Fa. Topf Boden und Gebäude zunächst für zehn Jahre unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Die Lehranstalt, die weniger eine akademische Ausbildung bieten als praktischen Bedürfnissen dienen sollte, wurde Ostern 1853 eröffnet, der Garten mit zahlreichen Einrichtungen ausgebaut (Abb. 3). Doch Topf musste 1856 Konkurs anmelden, und am 1. IV. 1859 wurde die Gärtner-Lehranstalt geschlossen. 1861 siedelte das Hebammeninstitut in die Gebäude des ehemaligen botanischen Gartens über, 1862 übernahm die Stadt Erfurt einen Streifen des Geländes zur Verbreiterung der Augustmauer, und schließlich wurde 1863 das verbliebene Terrain parzelliert und als Bauland verkauft. 1864 erhielt die alte Augustmauer den Namen Gartenstraße, wie er noch in Stadtplänen nach dem Zweiten Weltkrieg verzeichnet ist. Heute heißt der verbliebene Teil der Straße wieder Augustmauer, womit die letzte Erinnerung an den botanischen Garten Erfurt aus dem Stadtbild verschwunden ist, an dem so berühmte Gelehrte wie J. B. Trommsdorff und J. J. Bernhardi forschten und lehrten.

Inspektoren des Bot. Gartens Erfurt, zugleich Professoren für Botanik:
1756–1760: Johann Philipp Nonne (1729–1772) & Andreas Mangold (1719–1767).
1760–1772: Johann Philipp Nonne
1772–1782: Wilhelm Bernhard Trommsdorff (1738–1782)
1782–1789: Johann Jacob Planer (1743–1789)
1789–1792: Johann Valerius Siegling (interimistisch, da Professor der Philosphie)
1792–1799: Priv. Doz. Johann Samuel Naumburg (1768–1799)
1799–1850: Johann Jacob Bernhardi (1774–1850)

[Sofern keine anderen Quellenangaben im Text gemacht wurden, stammen alle Angaben aus Loth 1907.]

Orte mit Bezug zur Institution
OpenStreetMapWikidataErfurt (DE)Gründungsort1755
OpenStreetMapWikidataErfurt (DE)aufgelöst1859-04-01


Abbildungen
Scheda JE s.n.
Abb. 1: Scheda mit Erwähnung des Botanischen Gartens Erfurt als Fundort, aus dem Herbarium C. Fiedler.
[Ausschnitt aus Quelle: JE s.n.; Photo: CNS; Lizenz: mit freundlicher Genehmigung Herbarium JE]
Sonstiges OpenTopoMap
Abb. 2: Lage des ehemaligen Botanischen Gartens Erfurt im heutigen Stadtplan.
[Quelle: OpenTopoMap; Kartendaten: OpenStreetMap-Mitwirkende / Ergänzungen: CNS; Lizenz: CC BY-SA 3.0]
Sonstiges Loth (1907)
Abb. 3: Plan des ehemaligen Botanischen Gartens Erfurt
[Quelle: Loth (1907); Richard Loth; Lizenz: CC0 Public Domain]
sonstiges CNS
Abb. 4: Tafel «Stadtmauerrest» in Erfurt an der Augustmauer.
[Quelle: CNS; CNS; Lizenz: CC BY-NC-SA 4.0]


Autor dieses Biogramms:
Christof Nikolaus Schröder
erfasste Herbarbelege, an denen die Institution beteiligt ist:
cult.: JE s.n. [Id. 100111] definitiv Beleg von S. sponhemica
Bibliographie
Bernhardi (1799): Catalogus plantarum horti Erfurtensis, mit 6 Supplementen: I. 1801, II. 1802, III. 1803, IV. 1805, V. 1807, VI. 1808.
Bernhardi (1836): Selectus seminum numerus in horto Erfurtensi anno 1835 collectorum.


Quellen in chronologischer Sortierung
Capelli (1821): Catalogus stirpium quae aluntur in regio horto botanico Taurinensi [= BG Turin]. ♦ Weber (1822): Hortus Kiliensis. ♦ Link (1833): Hortus Regius Botanicus Berolinensis, vol. 2. ♦ Neumann (1837): Spaziergang durch die Kunst- und Handelsgärten von Erfurt. Theod. Bernhardi im botanischen Garten. — Neue Blumen-Zeitung, Band 10 (51), 28. XII. 1837, col. 406–408. ♦ Brodersen (2014) Universität - Geschichte, Version vom 2014-05-04, abgerufen 2020-02-28. ♦ Eigene Recherchen.
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Datensatz erzeugt: 2020-02-28 14:32:46 • letzte Änderung: 2022-04-11 11:10:15
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